Der letzte Schlag der Eulenberger Rathausuhr verklingt:
Mitternacht. Aber nanu — huscht da nicht nebenan auf Burg Eulenstein eine
schneeweiße Gestalt über die Zinnen? Natürlich — es ist das kleine Gespenst!
Seit uralten Zeiten wohnt es dort, tut niemandem etwas zuleide und ist
überhaupt ganz freundlich.Eigentlich liebt das kleine Gespenst den Mond und die
Nacht. Wäre es allerdings nicht schrecklich aufregend, die Welt einmal bei Tag
zu sehen? Freund Herr Schuhu (der Uhu) rät ab. Auch ist jeder Versuch vor dem
Morgengrauen nicht wieder einzuschlafen umsonst, bis eines Tages das kleine
Gespenst pünktlich um zwölf aus seiner Schlaftruhe schwebt und Sonnenlicht
erblickt. Kein Wunder: Es ist aus scheinbar unerklärlichen Gründen zwölf Uhr
mittags. Die Freude darüber verfliegt jedoch schnell, als Mensch und Gespenst
aufeinander treffen. Vom ersten Sonnenstrahl schwarz verfärbt, flüchtet das
kleine Gespenst in einen Brunnenschacht. Dieser führt durch labyrinthische
Geheimgänge nach Eulenberg, wo das kleine Gespenst mit seinem „Hu-hu-huhhhhh“
als „Schwarzer Unbekannter“ für ordentlichen Wirrwarr sorgt. Ob es wohl jemals
wieder zurück zur Burg findet und zu einem echten schneeweißen Nachgespenst
werden kann?Geisterstunde, Gespenster — das sind nach wie vor heiß begehrte
Erzählstoffe. Ein netteres Gespenst als das von Otfried Preußler kann man sich
jedoch kaum vorstellen. In 32 Sprachen übersetzt und 1967 sogar in der
Auswahlliste zum Deutschen Kinderbuchpreis, zählt es zu den Größten unter den
Kinderbuchklassikern! So manche Grundschullehrerin dürfte ihrer ersten und
zweiten Klasse den Unterricht mit dem Vorlesen dieser Geschichte versüßt haben
— ganz zu schweigen von den Erwachsenen, die sich beim Vorlesen wahrscheinlich
selbst wieder wehmütig ihre Kindheit mit Preußlers Büchern zurückerinnern. Wer
Das kleine Gespenst längst kennt und schon zu den größeren unter den Kindern
gehört, darf sich trösten: es gibt zum Glück noch Krabat, bei dem man sich so
richtig gruselt.
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