In der Mitte seines neunten Lebensjahrzehnts erweist sich Helmut Schmidt mit seinem neuen Buch Die Mächte der Zukunft
einmal mehr als hellsichtiger Analytiker. Der Autor überzeugt durch
seine klare Sprache und durch die von poltischer Rücksichtnahme
ungetrübte Schärfe des Urteils.
Ausführlich skizziert Schmidt
zunächst die weltpolitische Ausgangslage, in der wir uns heute befinden.
Während er die Gefahren des neuen Terrorismus in einem düsteren
Szenario noch einmal deutlich vor Augen führt, hält er die möglichen
Konsequenzen des erneuerten Weltordnungsanspruchs der USA für noch kaum
absehbar. Bei aller Bedeutung, die er dieser Frage zubilligt (nicht
zuletzt auch für die außenpolitische Selbstfindung Europas), übersieht
der Altkanzler nicht, dass weitere Determinanten der Weltpolitik nicht
aus dem Blick geraten dürfen. Dazu gehören die Folgen der
Bevölkerungsexplosion in den armen Teilen der Welt ebenso wie die
Auswirkungen der technischen und ökonomischen Globalisierung, die
Anfälligkeit der internationalen Finanzmärkte oder die Problematik des
internationalen Waffenhandels. Neben der Frage nach einem "Imperium
Americanum", die im Zentrum der Erörterungen steht, werden ausführlich
die verschiedenen möglichen Entwicklungspfade der anderen großen Mächte
behandelt: China, der indische Subkontinent, der Islam, Russland sowie
schließlich Europa (und hier vor allem Deutschland).
Im September des Jahres 2000 hatte Schmidt im Vorwort zu seinem Buch Die Selbstbehauptung Europas
zu Protokoll gegeben, dass im Laufe des neuen Jahrhunderts eine gute
Nachbarschaft mit dem Islam "zu einer der Bedingungen für die
Selbstbehauptung Europas werden" würde, und: "Es könnte sogar dahin
kommen, daß von dieser guten Nachbarschaft der Frieden … abhängt". --
"Wurde ich" so fragt Schmidt im Jahr 2004, "durch die furchtbaren
Ereignisse ein Jahr später bestätigt? Oder hatte ich mich getäuscht? War
ich zu optimistisch gewesen? Mit den Anschlägen vom 11. September 2001
und der amerikanischen Reaktion bekam meine Voraussage jedenfalls eine
neue Dimension." Dieser Dimension vor allem sind die Reflexionen des
altersweisen Staatsmanns gewidmet. Man muss nicht all seine
Einschätzungen und Urteile teilen, um aus der Lektüre größten Gewinn zu
ziehen.
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